ur-

ur-, Ur- (Deutsch)

Präfix

Worttrennung:

ur-

Aussprache:

IPA: [uːɐ̯]
Hörbeispiele:  ur- (Info)

Bedeutungen:

[1] in Zusammensetzungen: zuerst, ursprünglich, unverfälscht, im Ausgangszustand, vor langer Zeit existent, weit zurückliegend
[2] in Zusammensetzungen, Verwandtschaftsbeziehungen: eine Generation früher oder später (beliebig reduplizierbar)
[3] in Zusammensetzungen verstärkend: in besonders hohem Grad; sehr

Herkunft:

Auf althochdeutschem ur, altnordischem ōr, gotischem us mit der Bedeutung „aus, heraus“ beruht das Präfix ur- im mittelhochdeutschen, althochdeutschen, englischen und schwedischen, sowie ur- bzw. or- im altsächsischen, ōr- im altenglischen, oor- im mittelniederländischen und niederländischen und ōr- bzw. ør- im altnordischen. In Verbalkomposita, also in Verbindungen in Verben ist das Präfix ur- unbetont und verändert sich zu er-, wohingegen es in Nominalkomposita, also in Verbindungen mit Nomen, die Form ur- behält. Infolgedessen stehen sich Urlaub und erlauben, Urteil und erteilen gegenüber.[1]

Sinnverwandte Wörter:

[1] grund-
[3] extra-, hyper-, mega-, mords-, sau-, sehr

Beispiele:

[1] Die Ureinwohner Australiens waren die Aborigines.
[1] Mein Forschungsgebiet ist die Ur- und Frühgeschichte Norddeutschlands.
[1] Im brasilianischen Urwald gibt es unzählige noch unentdeckte Tier- und Pflanzenarten.
[1] Unter den Derivaten finden sich nicht wenige Bildungen, die Fachbegriffe geworden sind: Urgeschicht, Urtierchen oder Urproduktion.[2]
[2] „Nur für die halbwüchsige Nachkommenschaft ist es vielleicht nicht ohne Reiz, ihre sorgfältig etikettierten Ahnen in geistiger Frische ständig um sich zu haben und sich, statt auf den Knien derselben zu schaukeln, die Nasen an der gläsernen Schutzhülle ihres Ur-Ur-Opas platt zu drücken, um ungezogen hindurchzufeixen.“[3]
[2] „Ihre Eltern stammen aus dem East End, doch mehr noch aus Jamaika, aus Bangladesch, und nun sollen sie forschen wie nach einem lang vergessenen, gemeinsamen Ur-Ur-Ur-Großvater.“[4]
[2] „Zwei von ihnen sind Urururururururururururururgroßneffen einer Hexe.“[5]
[2] „Es liegt wahrscheinlich an meinen Genen, die ich von einem meiner Urururgroßväter geerbt habe.“[6]
[2] „Und der Urururgroßvater, so der Vater, hätte sich entschlossen, über die Grenze in den Südschwarzwald zu gehen, wo er einen Dorfweiler mit seinem Namen gründete, der, so betonte der Vater, noch immer existiere.“[7]
[2] „Der Anthropologe Gerhard Hotz hat nun auch die Krankengeschichte der Pfarrersfrau rekonstruiert: Johnsons Ururururururoma Anna Catharina Bischoff litt an Syphilis und musste sich einer wirkungslosen, entwürdigenden und letztlich wohl tödlichen Therapie unterziehen.“[8]
[2] „In dem Verfahren VG 1 K 1702/22 verlangt der Ururenkel des letzten deutschen Kaisers die Herausgabe von Inventar aus Schlössern und Villen in der späteren DDR, die einst den Hohenzollern gehörten und von den Sowjets nach 1945 enteignet worden waren.“[9]
[3] Der Witz war ja uralt.
[3] Urplötzlich war er wie von Sinnen.

Wortbildungen:

siehe ausschließlich: Verzeichnis:Deutsch/Wortbildungen/ur-

Übersetzungen

Referenzen und weiterführende Informationen:
[1–3] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache „ur-
[1–3] Duden online „ur-
[1] Uni Leipzig: Wortschatz-Portalur-
[1, 3] The Free Dictionary „ur-

Quellen:

  1. Wolfgang Pfeifer et al.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 1. Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1989, ISBN 3-05-000626-9, Seite 1878
  2. Wortbildung des modernen Deutschen: ein Lehr- und Übungsbuch, Michael Lohde, Seite 149. Abgerufen am 27. März 2016.
  3. Loriot (Verfasser); Susanne von Bülow, Peter Geyer, OA Krimmel (Herausgeber): Der ganz offene Brief. Hoffmann und Campe, Hamburg 2014, ISBN 978-3-455-40514-9, Seite 115.
  4. Matthias Matussek: Auf der Suche nach Oliver Twist. In: DER SPIEGEL 6, 2012, Seite 112-117, Zitat Seite 113.
  5. Guido Mingels: Das schlechte Gewissen. In: DER SPIEGEL 8, 2012, Seite 67. Kein Abschreibfehler. Es handelt sich tatsächlich um eine Aneinanderreihung von 13-mal ur-.
  6. Rafik Schami: Eine deutsche Leidenschaft namens Nudelsalat und andere seltsame Geschichten. 4. Auflage. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2011, ISBN 978-3-423-14003-3, Zitat: Seite 51.
  7. Karl Heinz Bohrer: Granatsplitter. Erzählung einer Jugend. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2014, ISBN 978-3-423-14293-9, Seite 73. Erstausgabe 2012.
  8. Boris Johnsons Ahnin litt an Syphilis. In: DER SPIEGEL 25, 2021, Seite 91. Kein Abschreibfehler. Es handelt sich tatsächlich um eine Aneinanderreihung von 6-mal ur-.
  9. KLW: Neue Klage der Hohenzollern. In: DER SPIEGEL 45, 2022, Seite 36.

Ähnliche Wörter (Deutsch):

ähnlich geschrieben und/oder ausgesprochen: Uhr, un-
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