irgend

irgend (Deutsch)

Adverb

Anmerkung zur Wortart:

Laut Kluge ist es eine Partikel.[1] Dem Deutschen Wörterbuch von Brockhaus Wahrig zufolge ist es in der ersten Bedeutung ein Pronomen, in der zweiten ein Adverb.[2] Grimm betrachtet es als Pronominaladverb.[3] Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache des 20. Jahrhunderts, Duden und dessen Onlineversion nebst die von Wahrig und Pons markieren es als Adverb.[4][5][6][7][8]

Worttrennung:

ir·gend

Aussprache:

IPA: [ˈɪʁɡn̩t] ~ [ˈɪʁɡŋ̩t]
Hörbeispiele:  irgend (Info)  irgend (Info) ~

Bedeutungen:

[1] umgangssprachlich: wird (zumeist vor »so ein, so etwas«) verwendet, um die Unbestimmtheit, Beliebigkeit, Verallgemeinerung oder Nichtigkeit einer genannten Person oder Sache auszudrücken
[2] wird häufig in einem mit »was, wenn, wer, wie, wo« eingeleiteten, bedingenden Gliedsatz zur Verstärkung im Sinne von „auf eine Weise“,[2][7] „irgendwie“,[5][6][7][8] „überhaupt“[2] und „überhaupt immer“[4] sowie „unter irgendwelchen Umständen“[5][6] verwendet

Herkunft:

Das auf das deutsche Sprachgebiet beschränkte[9] und seit dem 11. Jahrhundert[1] bezeugte Adverb geht auf die mittelhochdeutschen Formen iergen  gmh,[10] irgen  gmh,[10] irgent  gmh,[10] irigin  gmh,[10] ieren  gmh,[10] ierne  gmh,[10] irne  gmh[10] ‚irgend, irgendwo‘ zurück (vergleiche mittelniederdeutsch iergen  gml und iergene  gml)[11], denen die althochdeutschen Formen iohuuergin  goh[12] / iouuergin  goh / io-uuergin  goh[12] / io hwergin  goh[1][11] / io wergin  goh[11] sowie spätalthochdeutsch iergen  goh[12][2][11] ‚je irgend, je irgendwo‘ zugrunde liegen (vergleiche altsächsisch hwā̌rgin  osx[11] und hwergin  osx[1] ‚irgend, irgendwo[11]; altenglisch áhwǽrgen  ang,[12] ‚everywhere‘[13] áhwergen  ang ‚anywhere; in any case‘[14] und hwergen  ang;[1] altnordisch hvargi  non[11] und hvergi  non[1][11]wer immer, jeder;[1] überall[11]).[9] Der erste Bestandteil ist das unter je dargestellte Adverb, der zweite Bestandteil – das althochdeutsche huuergin  goh / uuergin  goh / hwergin  goh[11] / wergin  gohirgendwo, irgendwohin[11] – ist zusammengesetzt aus althochdeutsches hwār  goh / wār  goh ‚wo‘ (vergleiche wo) und einer Indefinitpartikel[9] (*hwar-gen-wo auch immer, irgend‘),[1] die auch (mit Ablaut und grammatischen Wechsel)[11] als gotisch -hun (vergleiche gotisch ni ainshun, ni mannahunniemand‘)[11] und altindisch चन (IAST: caná)  sa[15] ‚Partikel der Unbestimmtheit beziehungsweise Verallgemeinerung‘[11] auftritt, und deren genaue Lautform unsicher ist[1] (womöglich *-gin[9] sowie indoeuropäisch *kʷon-?[1]). Der seit dem 13. Jahrhundert bezeugte, auslautende Dental (mittelhochdeutsch -t,[11] neuhochdeutsch -d)[1] ist, wie auch in jemand und niemand, sekundär angetreten.[11][9]

Beispiele:

[1] „Natürlich, ein anderer als dieser Habedank, wenn nun schon er nicht, hätte ruhig in Briesen sitzen können, anderthalb Jahre wenigstens, bis er schwarz geworden wäre[,] irgend so ein Pole oder Zigeuner, einer, der keinen Kaplan gefunden hat oder jedenfalls nicht einen, der sich erinnert.“[16]
[1] „Wer weiß, vielleicht würde der eine oder die andere von denen mit einem Blumenstrauß zum Beispiel oder mit einem Geburtstagskorb für den Alten hier oben erscheinen, als Bote oder als Kellner maskiert, während der Feier auftauchen oder irgend so was, jedenfalls um den Anschlag auszuführen.“[17]
[2] „Ist in dem ästhetischen Klingeln oder auch Klingen irgend bare Münze, irgendeine Aussage, die unterschrieben werden kann?“[18]
[2] „Der improvisatorische Grundcharakter alles Theaters wird klar, wo irgend das Theater sich noch naiv und unumwunden als Selbstzweck und causa sui gibt.“[19]
[2] „Es ist - in seinem weder durch Dauer noch Einheit, noch Endzweck irgend bereits angebbaren Inhalt - selber ein Problem, als ein objektiv-reales, nicht nur für den unzulänglichen Menschengeist vorhandenes Realproblem.“[20]
[2] „Und es wäre wohl die Frage zu stellen, ob irgend mehr Grund ist, das zu lieben, was einem widerfährt, das Daseiende zu bejahen, weil es ist, als für wahr zu halten, was man sich erhofft.“[21]
[2] „Nur die absolute Lüge hat noch die Freiheit, irgend die Wahrheit zu sagen.“[22]
[2] „Psychologie weiß, daß, wer das Unheil sich ausmalt, es irgend auch will.“[23]
[2] „Das, was jene an Gutem irgend noch tun können, ist, wenn sie selbst, in Widerspruch zu ihrer eigenen Charakterstruktur, etwas dazu helfen, daß es nicht noch einmal dazu komme.“[24]
[2] „Was an Liebesfähigkeit in ihnen irgend überlebt, müssen sie an Mittel verwenden.“[25]
[2] „Hier bleibt Durkheim deutlicher als irgend sonst der mentalistischen Begrifflichkeit der Bewußtseinsphilosophie verhaftet.“[26]
[2] „Besser aber wäre es, nicht zu sterben und den Duft trotzdem zu besitzen, oder zumindest seinen Verlust so lange als irgend möglich hinauszuzögern.“[27]
[2] „Vita und Wesen ließen ihn aus der Aufgabe - schwer und schön in einem - machen, was irgend zu machen war.“[28]
[2] „Dank des unermüdlichen Heimwerkerfleißes wurden Wohnungen renoviert, modernisiert und mit allen erdenklichen Annehmlichkeiten versehen; wo es irgend ging, hielt man im Verein mit anderen das eigene Haus in Ordnung, und natürlich vergaß man auch Garten und Datsche nicht; knappe Konsumgüter verschaffte man sich im Austausch gegen eigene Raritäten oder Leistungen; teure technische Gerätschaften baute man nach Kräften nach, Autos und Motorräder so geschickt um, daß ihnen das Baujahr kaum noch anzusehen war.“[29]
[2] „Alle sollten zur Arbeit angehalten werden, die irgend dazu fähig sind, und selbst die Kranken sollten daraufhin untersucht werden.“[30]
[2] „Aber du verhältst dich so leichtsinnig, wie es nur irgend geht.“[31]

Charakteristische Wortkombinationen:

[1] irgend so ein/eine + Substantiv; irgend so etwas/was
[2] wenn irgend möglich, wer irgend kann

Übersetzungen

Referenzen und weiterführende Informationen:
[1, 2] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache „irgend
[*] Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch „irgend
[1, 2] The Free Dictionary „irgend
[1, 2] Duden online „irgend
[1, 2] Wahrig Großes Wörterbuch der deutschen Sprache „irgend“ auf wissen.de
[1, 2] PONS – Deutsche Rechtschreibung „irgend
[*] Uni Leipzig: Wortschatz-Portalirgend
[1, 2] Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bände in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961 „irgend
[1, 2] Renate Wahrig-Burfeind: Brockhaus Wahrig Deutsches Wörterbuch. Mit einem Lexikon der Sprachlehre. In: Digitale Bibliothek. 9., vollständig neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. wissenmedia in der inmedia ONE GmbH, Gütersloh/München 2012, ISBN 978-3-577-07595-4 (CD-ROM-Ausgabe), Stichwort »irgend«.
[1, 2] Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Deutsches Universalwörterbuch. Das umfassende Bedeutungswörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. 8., überarbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-411-05508-1, Stichwort »irgend«, Seite 938.

Quellen:

  1. Friedrich Kluge, bearbeitet von Elmar Seebold: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24., durchgesehene und erweiterte Auflage. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2001, ISBN 978-3-11-017473-1, DNB 965096742, Stichwort »irgend«, Seite 447.
  2. Renate Wahrig-Burfeind: Brockhaus Wahrig Deutsches Wörterbuch. Mit einem Lexikon der Sprachlehre. In: Digitale Bibliothek. 9., vollständig neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. wissenmedia in der inmedia ONE GmbH, Gütersloh/München 2012, ISBN 978-3-577-07595-4 (CD-ROM-Ausgabe), Stichwort »irgend«.
  3. Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bände in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961 „irgend
  4. Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache „irgend
  5. Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Deutsches Universalwörterbuch. Das umfassende Bedeutungswörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. 8., überarbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-411-05508-1, Stichwort »irgend«, Seite 938.
  6. Duden online „irgend
  7. Wahrig Großes Wörterbuch der deutschen Sprache „irgend“ auf wissen.de
  8. PONS – Deutsche Rechtschreibung „irgend
  9. Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache. In: Der Duden in zwölf Bänden. 5., neu bearbeitete Auflage. Band 7, Dudenverlag, Berlin/Mannheim/Zürich 2013, ISBN 978-3-411-04075-9, Stichwort »irgend«, Seite 410.
  10. Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch „iergen
  11. Wolfgang Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, digitalisierte und aufbereitete Ausgabe basierend auf der 2., im Akademie-Verlag 1993 erschienenen Auflage. Stichwort „irgend
  12. Althochdeutsches Wörterbuch „io[h]uuergin
  13. Bosworth-Toller Anglo-Saxon Dictionary: „á-hwǽrgen
  14. Bosworth-Toller Anglo-Saxon Dictionary: „á-hwergen
  15. Gérard Huet: The Sanskrit Heritage Dictionary „चन“.
  16. Johannes Bobrowski: Levins Mühle. 34 Sätze über meinen Großvater. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1964, Seite 197 (Lizenz des VOB Union Verlag, Berlin).
  17. Franz Josef Degenhardt: Für ewig und drei Tage. Roman. 1. Auflage. Aufbau-Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-351-02857-1, Seite 224.
  18. Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung. 1. Band, Aufbau Verlag, Berlin 1954, Seite 229.
  19. Thomas Mann: Versuch über das Theater. [1908]. In: Gesammelte Werke. 2., unveränderte Auflage. Elfter Band: Altes und Neues. Kleine Prosa aus 5 Jahrzehnten, Aufbau-Verlag, Berlin/Weimar 1956, Seite 38 (Zitiert nach Google Books; Lizenzausgabe des S. Fischer Verlags, Frankfurt/Main für die DDR).
  20. Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung. 2. Band, Aufbau Verlag, Berlin 1956, Seite 433.
  21. Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971, Seite 123 (Erstveröffentlichung 1951).
  22. Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971, Seite 139 (Erstveröffentlichung 1951).
  23. Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971, Seite 214 (Erstveröffentlichung 1951).
  24. Theodor W. Adorno: Erziehung nach Auschwitz. [1966]. In: Gerd Kadelbach (Herausgeber): Erziehung zur Mündigkeit. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1973, Seite 98.
  25. Theodor W. Adorno: Erziehung nach Auschwitz. [1966]. In: Gerd Kadelbach (Herausgeber): Erziehung zur Mündigkeit. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1973, Seite 100.
  26. Jürgen Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns. 1. Auflage. Band 2: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-518-07591-8, Seite 91.
  27. Patrick Süskind: Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders. Diogenes, Zürich 1985, ISBN 3-257-01678-6, Seite 245.
  28. Willy Brandt: Erinnerungen. Ullstein, Berlin 1997, ISBN 3-548-26518-9, Seite 19 (Erstausgabe im Verlag Propyläen, Frankfurt am Main 1989).
  29. Wolfgang Engler: Die Ostdeutschen. Kunde von einem verlorenen Land. 1. Auflage. Aufbau-Taschenbuch-Verlag, Berlin 1999 (Aufbau-Taschentücher ; 8053), Seite 185 (Zitiert nach Google Books).
  30. Robert Kurz: Schwarzbuch Kapitalismus. Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-8218-0491-2, Seite 49.
  31. Bandi; mit einem Vorwort von Thomas Reichart und einem Nachwort von Do Hee-Yoon: Die Stadt der Gespenster. [April 1993]. In: Denunziation. Erzählungen aus Nordkorea. 4. Auflage. Piper Verlag, München 2017 (Originaltitel: 고발, übersetzt von Ki-Hyang Lee aus dem Koreanischen), ISBN 978-3-492-05822-3, Seite 25–26.

Ähnliche Wörter (Deutsch):

Anagramme: Dinger, dringe, Grinde, negrid, nerdig, Nidger
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