leise
leise (Deutsch)
Adjektiv
Positiv | Komparativ | Superlativ | ||
---|---|---|---|---|
leise | leiser | am leisesten | ||
Alle weiteren Formen: Flexion:leise |
Nebenformen:
Worttrennung:
- lei·se, Komparativ: lei·ser, Superlativ: am lei·ses·ten
Aussprache:
- IPA: [ˈlaɪ̯zə]
- Hörbeispiele: leise (Info), leise (Info)
- Reime: -aɪ̯zə
Bedeutungen:
- [1] kaum hörbar
- [2] kaum wahrnehmbar, fast unmerklich, wenig spürbar
- [3] kaum ausgeprägt, von geringem Ausmaß, nur in Andeutungen
Herkunft:
- Das Wort geht über mittelhochdeutsches līse → gmh[1][2][3] (alemannisch mit Nasalinfix linse)[1] auf das seit dem 9. Jahrhundert[1][2] bezeugte althochdeutsche Adverb līso → goh[1][2] ‚sanft, sacht, langsam, schwach hörbar‘[3] zurück. Die weitere Herkunft ist unsicher.[2][3] Es lässt sich vergleichen mit mittelniederdeutschem līse → gml,[2][3] mittelniederländischem līse → dum[2] ‚schwach hörbar, sanft, sacht, langsam‘, südniederländischem lijs → nl (auch substantiviert lijs → nl ‚langsamer, träger Mensch‘), die sich – laut Pfeifer – alle verbinden lassen mit dem altenglischen Verb gelīsian → ang / līsian → ang ‚schlüpfen, gleiten‘, mit dem altsächsischen Komparativ lēs → osx, dem altenglischen Komparativ lǣs → ang, dem englischen Komparativ less → en ‚weniger‘ und dem altenglischen Superlativ lǣst → ang, dem englischen Superlativ least → en ‚am wenigsten‘ sowie mit krimgotischem lista ‚zu wenig‘.[1] Sichere außergermanische Anknüpfungsmöglichkeiten finden sich nicht.[1] Geht man jedoch davon aus, dass griechisches λιαρός (liaros☆) → grc ‚lau, warm, mild, gelinde‘[1][3] (aus *lisṛo-)[2] und λοῖσθος (loisthos☆) → grc ‚Hinterster, Letzter‘[1] sowie litauisches liesas → lt ‚mager, hager‘[1][2][3] und liesti → lt ‚mager werden‘[1] auf gleicher Stufe mit den oben genannten stehen,[2] kann von einer indoeuropäischen s-Erweiterung *leis-, *lois- der indoeuropäischen Wurzel *lei-[2] ‚eingehen, abnehmen, mager, schlank‘ ausgegangen werden,[1] die beispielsweise (mit anderer Stammbildung) in gotischem 𐌰𐍆𐌻𐌹𐌽𐌽𐌰𐌽 (aflinnan) → got ‚ablassen, fortgehen‘ vorliegen könnte.[2] Die Ausgangsbedeutung wäre dann ‚abnehmend, schwach‘.[2][3] Demnach bezeichnet das Adjektiv anfänglich wohl die Sanftheit einer Bewegung, bald auch den schwachen Gehörseindruck und steht seit dem 17. Jahrhundert als Gegenwort zu laut.[1][3]
Sinnverwandte Wörter:
Gegenwörter:
- [1] laut
Beispiele:
- [1] Im Raum ist es sehr leise, man hört keinen Ton.
- [1] „»Come on«, rief er deshalb in einer etwas übertriebenen Lautstärke, die er sich eigens für die nach Herzlichkeit dürstenden Leute vom Kontinent angewöhnt hatte, und dann in einem Gefühl der Verbundenheit, das er sich nur mit Sentimentalität erklären konnte, fügte er, viel leiser und gar ein wenig scheu »Massel tow« hinzu.“[4]
- [1] „Es wurde mit aufgerissenen Augen leise und viel gesprochen und mit zugedrückten Augen leise und viel geweint.“[5]
- [1] „Ich hörte Bilger leise schnarchen; draußen klirrte ein Mast oder ein Fall im Wind, man hätte meinen können, wir befänden uns auf einem Segelschiff am Liegeplatz – bis ich schließlich eingeschlafen bin.“[6]
- [1] „Paul kichert leise.“[7]
- [1] „Er sprach leise mit ihnen, und plötzlich wurden aufgebrachte Stimmen laut.“[8]
- [1] „Während dieser dringenden Bitte, deren Worte immer leiser wurden, sah sie einen langen Tunnel, so als ob sie in die Tiefe fallen müsste, und sie hörte die Stimme ihrer Mutter, die doch schon tot war, und nun ihren Namen rief: Komm!“[9]
- [2] „Der bläuliche Rauch hüllte beide arbeitende Geſtalten bald gänzlich ein, draußen vor den Fenſtern ſchien ſich das Wetter aufhellen zu wollen, Joſeph warf ab und zu einen Blick durch die Scheibe und merkte die Veränderung, die ſich leiſe am Himmel vollzog.“[10]
- [2] „Plötzlich fühlte er ihre Hand leise auf der seinen.“[11]
- [2] „Wir sitzen am Teetisch der Moslems, und der Würzgeruch des braunen Tranks mischt sich mit dem leisen Duft der Blumen vor uns.“[12]
- [2] „Ein leiser Dunstschleier lag vor ihnen im Himmel und machte ihr Licht gedämpfter und nicht so kalt.“[13]
- [3] Mich beschleicht der leise Verdacht, dass…
- [3] „Agrippa meinte, und Berenike erkannte gut die leise Warnung in seinem Scherz: ‚Aber unsre Urgroßmutter Mariamne zum Beispiel hat bei diesem Spiel den Kopf verloren.‘“[14]
- [3] „Ohne aus der Zeitung aufzublicken, fragte er später beiläufig: Was ist denn das für ein Vogel gewesen? Er sagte Vogel, was Lila leise beleidigte.“[15]
- [3] „Sie schien mit Zufriedenheit, aber auch leiser Enttäuschung festzustellen, daß er sich nicht in aller Hast etwas hatte überziehen müssen.“[16]
- [3] „»[…] Die Engländer haben nicht die leiseste Ahnung von Schottland und was sie uns angetan haben, als sie sich unseren König geholt und unsere Selbständigkeit gestohlen haben«, sagte der Captain.“[17]
- [3] „Innerlich bekam ich leise Panik, aber ich lächelte und versuchte, so gut wie möglich den Gentleman zu spielen; ich hielt ihr die Tür auf und sagte ihr, wie schön sie aussah.“[18]
- [3] „Sie formulieren ihre Ablehnung vorsichtig. Nicht als blinden Hass, sondern als leise Sorge.“[19]
- [3] „Es bestand zu der Zeit noch die leise Hoffnung, dass das ganze Brexit-Ding demnächst rückgängig gemacht würde.“[20]
- [3] „Sieht man ihn als den »andern«, so klagt man ihn hauptsächlich der Anpassungs-Unfähigkeit an; läßt er aber die leisesten Anstrengungen sichtbar werden, sich wie die andern, die Nicht-Juden, zu verhalten, so hält man ihm entgegen, er könne sich doch nicht ändern, und unterschiebt ihm heimtückische Motive.“[21]
Redewendungen:
- [1] umgangssprachlich: leise weinend
- [1, 2] umgangssprachlich: heimlich, still und leise
- [2] umgangssprachlich: leise kochen
- [3] umgangssprachlich: nicht im Leisesten
Charakteristische Wortkombinationen:
- [1] leise Stimme
- [1] leises Geräusch
- [1] adverbiell: leise anklopfen, eintreten, gehen; leise lachen, singen, sprechen, weinen
- [2] leiser Duft, Händedruck, Lufthauch, Regen
- [2] bei der leisesten Berührung
- [3] leise Andeutung, Befürchtung, Hoffnung, Verstimmung
- [3] leiser Argwohn, Verdacht, Vorwurf, Widerwille, Zweifel
- [3] leises Unbehagen
- [3] etwas mit leisem Bedauern, Kopfschütteln, Neid, Spott sagen
- [3] etwas mit leiser Bitterkeit, Drohung, Genugtuung, Trauer sagen
- [3] jemand gehorcht auf den leisesten Wink
- [3] jemandem den leisesten Wunsch erfüllen
- [3] mit einem leisen Akzent sprechen
- [3] nicht die leiseste Ahnung haben
- [3] von jemandem nicht die leiseste Klage hören
- [3] adverbiell: leise andeuten, hoffen, zweifeln
Wortbildungen:
- Leisefuß, Leisetreter
- Verb:
Übersetzungen
[1] kaum hörbar
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[2] kaum wahrnehmbar, fast unmerklich, wenig spürbar
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[3] kaum ausgeprägt, von geringem Ausmaß, nur in Andeutungen
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Referenzen und weiterführende Informationen:
- [1–3] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache „leise“
- [*] Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch – elexiko „leise“
- [1–3] The Free Dictionary „leise“
- [1–3] Duden online „leise“
- [1–3] Wahrig Großes Wörterbuch der deutschen Sprache „leise“ auf wissen.de
- [1, 3] PONS – Deutsche Rechtschreibung „leise“
- [*] Uni Leipzig: Wortschatz-Portal „leise“
- [1–3] Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. 10 Bände auf CD-ROM ; mehr als 200 000 Stichwörter mit rund 90 000 Belegen aus mehreren Hundert Quellen ; vielfältige Recherchemöglichkeiten ; für MS Windows und Apple Macintosh. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2000, ISBN 978-3-411-71001-0, Stichwort »leise«.
Quellen:
- Wolfgang Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, digitalisierte und aufbereitete Ausgabe basierend auf der 2., im Akademie-Verlag 1993 erschienenen Auflage. Stichwort „leise“
- Friedrich Kluge, bearbeitet von Elmar Seebold: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 25., durchgesehene und erweiterte Auflage. Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2011, ISBN 978-3-11-022364-4, DNB 1012311937, Stichwort »leise«, Seite 571.
- Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache. In: Der Duden in zwölf Bänden. 5., neu bearbeitete Auflage. Band 7, Dudenverlag, Berlin/Mannheim/Zürich 2013, ISBN 978-3-411-04075-9, Stichwort »leise«, Seite 506.
- Stefanie Zweig: Nirgendwo in Afrika. Autobiographischer Roman. Langen Müller, München 1995, ISBN 3-7844-2802-9, Seite 292 (Zitiert nach Google Books).
- Herta Müller: Atemschaukel. 1. Auflage. Carl Hanser Verlag, München 2009, ISBN 978-3-446-23391-1, Seite 15.
- Mathias Énard: Kompass. Roman. Hanser Berlin im Carl Hanser Verlag, München 2016 (Originaltitel: Boussole, übersetzt von Holger Fock und Sabine Müller aus dem Französischen), ISBN 978-3-446-25315-5, Seite 203.
- Leïla Slimani: Dann schlaf auch du. Roman. 1. Auflage. btb Verlag, München 2018 (Originaltitel: Chanson douce, übersetzt von Amelie Thoma aus dem Französischen), ISBN 978-3-442-71742-2, Seite 77 (Genehmigte Taschenbuchausgabe).
- Dave Eggers: Die Parade. 1. Auflage. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020 (Originaltitel: The Parade, übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann aus dem Englischen), ISBN 978-3-462-05357-9, Seite 143 (amerikanische Originalausgabe 2019).
- Helga Schubert: Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten. Originalausgabe. 11. Auflage. dtv, München 2021, ISBN 978-3-423-28278-9, Seite 171–172.
- Robert Walser: Der Gehülfe. Verlag Bruno Cassirer, Berlin 1908, Seite 11 (Zitiert nach Google Books).
- Stefan Zweig: Der Zwang. Eine Novelle. Der Strom-Verlag, Wien 1929, Seite 11 (Zitiert nach Google Books; Erstausgabe im Insel-Verlag, Leipzig 1920).
- Der Tag. Populärste Illustrierte Zeitschrift der Welt. 1931. Zitiert nach Ramadhan-Abend in der Moschee. In: Moslemische Revue. Heft 4, Oktober 1934, Seite 92 (Digitalisat: PDF 1,5 MB der AAIIL, abgerufen am 14. Juni 2022).
- Jens Rehn: Nichts in Sicht. 2. Auflage. Luchterhand, Neuwied am Rhein/Berlin-Spandau 1962, Seite 75 (Zitiert nach Google Books; Erstausgabe bei Luchterhand, Neuwied am Rhein/Berlin-Frohnau 1954).
- Lion Feuchtwanger: Der jüdische Krieg. Roman. Propyläen-Verlag, Berlin 1932, Seite 254 (Zitiert nach Google Books).
- Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1964, Seite 462 (Zitiert nach Google Books).
- Brigitte Kronauer: Berittener Bogenschütze. Roman. Dritte Auflage. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1987, ISBN 3-608-95420-1, Seite 33 (Zitiert nach Google Books; Erstauflage 1986).
- Stefanie Zweig: Nirgendwo in Afrika. Autobiographischer Roman. Langen Müller, München 1995, ISBN 3-7844-2802-9, Seite 301 (Zitiert nach Google Books).
- Trevor Noah: Farbenblind. 2. Auflage. Karl Blessing Verlag, München 2017 (Originaltitel: Born a Crime: Stories from a South African Childhood, übersetzt von Heike Schlatterer aus dem Englischen), ISBN 978-3-89667-590-3, Seite 203.
- Carolin Emcke: Gegen den Hass. FISCHER Taschenbuch, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-596-29687-3, Seite 76 (Erstausgabe im S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016).
- Sharon Dodua Otoo: Adas Raum. Roman. Originalausgabe, 2. Auflage. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021, ISBN 978-3-10-397315-0, Seite 201.
- Leo Löwenthal; unter Mitarbeit von Norbert Guterman; mit einem Nachwort von Carolin Emcke: Falsche Propheten. Studien zur faschistischen Agitation. 1. Auflage. Suhrkamp Verlag, Berlin 2021 (Originaltitel: Prophets of Deceit. A Study of the Techniques of the American Agitator, übersetzt von Susanne Hoppmann-Löwenthal), ISBN 978-3-518-58762-1, Seite 120 (amerikanische Originalausgabe 1949).
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