Luftschlösser bauen

Luftschlösser bauen (Deutsch)

Redewendung

Nebenformen:

Schlösser in die Luft bauen

Worttrennung:

Luft·schlös·ser bau·en

Aussprache:

IPA: [ˈlʊftʃlœsɐ ˌbaʊ̯ən]
Hörbeispiele:  Luftschlösser bauen (Info)

Bedeutungen:

[1] realitätsferne Ideen, Pläne, Wünsche haben; realitätsferne Pläne machen; sich utopischen Hoffnungen, Vorstellungen hingeben

Herkunft:

Das Motiv eines sich in den Lüften befindenden Bauwerks reicht zurück bis in die Antike: in der Komödie »Die Vögel« des griechischen Dichters Aristophanes gründen Vögel eine große Stadt in den Lüften – das im Deutschen sprichwörtlich gewordene Wolkenkuckucksheim; das Vorhaben scheitert daran, dass auch dort böse Charaktere erscheinen, denen man zu entkommen hoffte.[1] In Anspielung an diese Geschichte formulierte der Kirchenvater Augustinus auf Spätlateinisch die Wendung in aere aedificare  la[2] in seinen Predigten (Sermones):[1]
„[…] ne subtracto fundamento, in aere velle aedificare videamur.“ (Serm. 8,1)[3]
„Lasst uns nicht den Anschein geben, als ob wir ohne Fundament in der Luft bauen wollten!“[4]
An anderer Stelle heißt es:
„[…] ne subtracto fundamento rei gestae, quasi in aere quaeratis aedificare.“ (Serm. 2,7)[5]
„Begehrt nicht ohne das Fundament der Geschichtsschreibung gewissermassen in der Luft zu bauen![4]
Der Gebrauch des Wortes Schlösser im Deutschen geht auf die französische Wendung châteaux en Espagne  fr zurück[1] (vergleiche die mittellateinischen Wendungen castra in Hispania  la und castra in sphera aeris  la ‚Schlösser im Luftraum‘[4], die auch im Gebrauch mit den Verben aedificare  la, fabricare  fr und facere  la belegt sind)[6].
In der Mitte des 16. Jahrhunderts findet sich die frühneuhochdeutsche Wendung ein Schloß inn lufft bawen,[7] die zeitgenössisch umschrieben wurde mit:
wann einer eiñ handel vnderhanden tat/ gedenckt ein gantz ſchloß daran zugwiñen/dichtet jetz ſchoͤn wie er das ſchloß bawen wil/vnnd laßt im eine viſierung ſtellen/bald […] das gluck […] vmbſchlegt/vnd er […] verleurt/vnd ja die hauptſum̃ ſampt dem ſchloß muͤß dahinden laſſen[7]
Soll heißen:
Wenn einer einen Handel/ein Geschäft unter der Hand tätigt und beabsichtigt ein ganzes Schloss daran zu verdienen, sich bereits ausmalt, wie er den Gewinn umsetzen will, ihn bald darauf das Glück verlässt und [das Geschäft] nicht zustandekommt, den erhofften Gewinn dann abschreiben muss.
Nach dieser Wendung entstand das ab dem 17. Jahrhundert[8] bezeugte Determinativkompositum Luftschloss.[9]

Sinnverwandte Wörter:

[1] Träumen hinterherjagen, gehoben: auf Wolken schweben, in den Wolken schweben, über den Wolken schweben

Beispiele:

[1] Hört auf, Luftschlösser zu bauen, stellt lieber zunächst einmal die Finanzierung des Projektes sicher!
[1] „Ich überließ mich meiner Phantaſie, probirte und bereitete ewig, baute tauſend Luftſchlöſſer, und ſpürte nicht, daß ich den Grund des kleinen Gebäudes zerſtört hatte.“[10]
[1] „In Allem, was unſer Wohl und Wehe betrifft, ſollen wir die Phantaſie im Zügel halten: alſo zuvörderſt keine Luftschlöſſer bauen; weil dieſe zu koſtſpielig ſind, indem wir gleich darauf, ſie, unter Seufzern, wieder einzureißen haben.“[11]
[1] „Wenn ihn auch hie und da Sorgen bedrückten, er war doch zufrieden; er wiegte ſich immer in ſüßen Hoffnungen, baute Luftſchlöſſer und war Alles in Allem glücklich.“[12]
[1] „Ich ſah auf den erſten Blick, daß er ein Schlaukopf iſt. Ich glaube, dieſes Eiſenbahnprojekt iſt nur eine Falle — er ſieht nicht aus wie ein Menſch, der ſeine Zeit damit verſchwendet, Luftſchlöſſer zu bauen.[13]
[1] „Der Tagtraum kann Einfälle liefern, die nicht nach Deutung, sondern nach Verarbeitung verlangen, er baut Luftschlösser auch als Planbilder und nicht immer nur fiktive.“[14]
[1] „Sie sollten sich mehr um die bitteren, harten Tatsachen an Ihrem Objekt kümmern, statt Luftschlösser zu bauen.[15]
[1] „Es wurden, auch in den nachfolgenden Jahren, manche Luftschlösser gebaut.[16]

Übersetzungen

Referenzen und weiterführende Informationen:
[1] Wikipedia-Artikel „Luftschloss
[1] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache „Luftschloss
[1] The Free Dictionary „Luftschloss
[1] Duden online „Luftschloss
[1] Wahrig Großes Wörterbuch der deutschen Sprache „Luftschloss“ auf wissen.de
[1] PONS – Deutsche Rechtschreibung „Luftschloss
[1] Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bände in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961 „Luftschloss
[1] Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexikon „Luftschloss
[1] Günther Drosdowski, Werner Scholze-Stubenrecht et al.: Duden, Redewendungen und sprichwörtliche Redensarten. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. In: Der Duden in zwölf Bänden. 1. Auflage. Band 11, Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 1992, ISBN 3-411-04111-0, Stichwort »Luftschloß: Luftschlösser bauen«, Seite 464.
[1] Dr. Heinz Griesbach, Dr. Dora Schulz: 1000 deutsche Redensarten. Mit Erklärungen und Anwendungsbeispielen. 13. Auflage. Langenscheidt, Berlin/München/Wien/Zürich/New York 2000, ISBN 3-468-43112-0, Stichwort »LUFTSCHLOSS – Luftschlösser bauen«, Seite 126.
[1] Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. In: Digitale Bibliothek. 42, Directmedia Publishing, Berlin 2000, ISBN 3-89853-142-2, Stichwort »Schloß: Schlösser in die Luft bauen (Luftschlösser bauen)«.
[1] Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Das große Buch der Zitate und Redewendungen. 2. Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2007, ISBN 978-3-411-71802-3 (CD-ROM-Ausgabe), Stichwort »Luftschlösser bauen«.
[*] Uni Leipzig: Wortschatz-PortalLuftschlösser bauen

Quellen:

  1. Annette und Reinhard Pohlke: Alle Wege führen nach Rom. Deutsche Redewendungen aus dem Lateinischen. Mit 15 Illustrationen von Margarete Moos. Artemis & Winkler, Düsseldorf/Zürich 2001, ISBN 3-7608-1967-2, Stichwort »Luftschlösser bauen«, Seite 113 (Zitiert nach Internet Archive).
  2. Andreas Otto: Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer. Druck und Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1890, Seite 6 (Zitiert nach Internet Archive).
  3. Augustinus: SERMONIS Ⅷ. monumenta.ch, abgerufen am 24. September 2020.
  4. Samuel Singer (Begründer); Kuratorium Singer der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (Herausgeber): THESAURUS PROVERBIORUM MEDII AEVI. Lexikon der Sprichwörter des romanisch-germanischen Mittelalters. Band 8: Linke – Niere, Walter de Gruyter, Berlin/New York 1999, ISBN 3-11-016313-6, Stichpunkt »6. (Ein Schloss) in die Luft bauen (Luftschlösser)«, Seite 54 (Zitiert nach Google Books).
  5. Augustinus: SERMO Ⅱ. monumenta.ch, abgerufen am 24. September 2020.
  6. Axel Nelson: «Châteaux en Espagne» en latin médiéval. In: ERANOS. Acta philologica Suecana. Nummer 49, 1951, ISSN 0013-9947, Seite 159–169.
  7. [Sebastian Franck]: Spꝛichwoͤrter, Schoͤne, Weiſe Klugredenn. Darinnen Teutſcher vñ anderer Spꝛaachen Hoͤfflichkeit/Zier/Hoͤhſte Vernunfft vñ Kluͤgheit/Was auch zur Ewiger vnd zeitlicher Weißheit/Tugend/Kunſt vnd Weſen dient/geſpuͤrt vñ begriffen. Von Alten vnd jetzigen im bꝛauch gehabt vnd beſchꝛieben/In etlich Tauſent zusamen bꝛacht. Bei Chꝛ. Egen. Erben̈, Franck[furt]. [1555] (Zitiert nach Digitalisat des MDZ).
  8. Wolfgang Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, digitalisierte und aufbereitete Ausgabe basierend auf der 2., im Akademie-Verlag 1993 erschienenen Auflage. Stichwort „Luftschloß
  9. Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache. In: Der Duden in zwölf Bänden. 5., neu bearbeitete Auflage. Band 7, Dudenverlag, Berlin/Mannheim/Zürich 2013, ISBN 978-3-411-04075-9, Stichwort »Luftschloss«, Seite 530.
  10. Johann Wolfgang von Goethe: Wilhelm Meiſters Lehrjahre. Ein Roman. 1. Auflage. Erſter Band, [b]ey Johann Friedrich Unger, Berlin 1795, Seite 47 (Zitiert nach Deutsches Textarchiv).
  11. Arthur Schopenhauer: Parerga und Paralipomena: kleine philoſophische Schriften. 1. Auflage. Erſter Band, Druck und Verlag von A. W. Hayn, Berlin 1851, (Schrift: Aphorismen zur Lebensweisheit. Kapitel Ⅴ. Paräneſen und Maximen. B. Unſer Verhalten gegen uns ſelbst betreffend), Seite 412, Nummer 13 (Zitiert nach Digitalisat des MDZ).
  12. Oscar Geller: Feigling! In: Mähriſches Tagblatt. Nummer 243, 24. Oktober 1892, Seite 2 (Zitiert nach Deutsches Textarchiv).
  13. Burton E. Stevenſon: Seine Kreolin. Kriminal-Roman. In: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nummer 1588, 30. April 1909, Seite 1 (Zitiert nach Deutsches Textarchiv).
  14. Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung. 1. Band, Aufbau Verlag, Berlin 1954, Seite 99.
  15. Erik Neutsch: Spur der Steine. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1964, Seite 162.
  16. Willy Brandt: Erinnerungen. Ullstein, Berlin 1997, ISBN 3-548-26518-9, Seite 181 (Erstausgabe im Verlag Propyläen, Frankfurt am Main 1989).
  17. Ernst Christmann (Begründer), fortgeführt von Julius Krämer, bearbeitet von Rudolf Post; unter Mitarbeit von Josef Schwing und Sigrid Bingenheimer: Pfälzisches Wörterbuch. 6 Bände und ein Beiheft. Stuttgart 1965–1998, Stichwort „Luft-schloß“.
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